Geschichten statt Power Point
Wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort authentische Geschichten spannend erzählt, kann auf ausgeklügelte Powerpoint-Präsentationen verzichten. Auch die wichtigen «Hard Facts» lassen sich problemlos in Geschichten verpacken und wirkungsvoll erzählen.
Von meinem San-Francisco-Aufenthalt im Sommer 1993 habe ich mir Ohrringe als Andenken mitgebracht. Und die Erinnerung an Carols Eröffnungsrede. Carol war damals Chefin eines der weltweit grössten Softwarehäuser. Sie schoss über die Bühne und erläuterte ihre Vision: Ihr Unternehmen würde mit Händlern, externen Entwicklern, Anwendern, Presse und vielen anderen zu einer virtuellen Familie zusammenwachsen.
Sie redete lange, aber nicht langweilig, und ihre Sprache war so reich an Bildern, dass ich mich nicht mehr erinnere, ob sie Powerpoint, Dias oder Folien benutzte. So also konnte man über geschäftliche Dinge erzählen! Wie machte die das bloss? Später habe ich die «innere Leinwandtechnik» kennengelernt. Dabei teilt man die Geschichte, die man erzählen will, gedanklich in Szenen auf und stellt sich eine Szene nach der anderen als Bild vor. Jetzt braucht man bloss noch zu beschreiben, was man auf dem Bild sieht – fertig.
Storytelling in Unternehmen
Dass ich auch 18 Jahre später noch weiss, was Carol erzählt hat, liegt wohl daran, dass sie ihre Botschaft in eine Geschichte verpackt hat: Die Geschichte des Softwareunternehmens als einsamer Held, der nicht länger allein sein wollte und sich darum aufgemacht hat, Freunde zu finden. Eine klassische Heldenreise also. Und wir sehen: Storytelling hat in Wirtschaftsunternehmen schon gewirkt, bevor der Begriff in aller Munde war. Und zwar nachhaltig!Wenn man Heldenreise und innere Leinwandtechnik richtig kombiniert, lässt sich Storytelling nicht nur im Marketing einsetzen. Es wirkt, wenn es darum geht, sich selbst oder das Unternehmen vorzustellen und Vertrauen zu gewin-nen. Es hilft, Mitarbeitende zu Veränderungen zu motivieren oder die Zusammenarbeit zu verbessern. Und es erlaubt, Erfahrungen jenseits von Zahlen und Daten zu sammeln und weiterzugeben.
Die innere Leinwandtechnik, der Aufbau der Heldenreise und das grundlegende Hand- und Mundwerkszeug, um gute Geschichten zu finden und gut zu erzählen, lassen sich lernen. Der Aufwand dafür ist überschaubar, die Ergebnisse sind beeindruckend, der erste Schritt ist ganz leicht. Und, ja natürlich, die Ohrringe trage ich auch heute noch gern.