Neurodidaktik für Trainer: Lernwirksame Seminare gestalten.
Das Buch «Neurodidaktik für Trainer» bietet einen vielseitigen Einstieg in die Welt der Neurodidaktik und einen fundierten Transfer aus der Forschung in die Trainingspraxis. Darüber hinaus präsentiert es die Megatrends für das Trainieren mit Hirn.
Warum kann ein gut durchgeführtes Outdoor-Training oder ein Führungsplanspiel schneller dauerhafte Lerneffekte vermitteln als die übliche Abfolge aus Input, Rollenspiel und Diskussion? Benutzen wir wirklich nur zehn Prozent unseres Gehirns? Gibt es tatsächlich eine Arbeitsteilung zwischen einer kreativen rechten Gehirnhälfte und einer rationalen linken Gehirnhälfte?
Das Autorenduo Franz Hütter und Sandra Mareike Lang hinterfragt im Buch «Neurodidaktik für Trainer» die oft gehörten Neuro-Mythen und stellt das heutige und zukünftige Lernen in Seminaren auf eine fundierte Basis aus lebendig beschriebenem Know-how.
Teil I: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse
Der erste Teil des Buches behandelt die Grundlagen für die Umsetzung der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis der Weiterbildung. Zum Beispiel, was in Rollenspielen neuronal aktiviert und was in gruppendynamischen Prozessen geschieht. Das viel zitierte «Reptilienhirn» werden die Leserinnen und Leser im Buch nicht finden, weil es so nicht existiert.Dafür machen sie Bekanntschaft mit dem kleinen Gebilde «Thalamus». Es wacht wie ein «Tor zum Bewusstsein» im Zwischenhirn darüber, was wichtig ist und filtert scheinbar Bekanntes oftmals weg. Aus diesem Grund verbessern erlebnisorientierte Trainingsformate mit Musterunterbrechungen die Lernchancen, wenn ihre Impulse dieses «Tor» passieren.
Teil II: Neurowissenschaftliche Erklärungen
Im zweiten Teil beschreiben die Autoren unter anderem neuropsychologische Erklärungen für die häufigsten Trainingsformate. Am Beispiel klassischer Lernmodelle wie etwa dem «Eisbergmodell», den «Vier Seiten einer Nachricht» oder dem «Johari-Fenster» betrachten die Leserinnen und Leser die Zusammenhänge des subjektiven Erlebens und der Kommunikation in einem neuem Licht.
Mit konkret anwendbaren Theoriebausteinen optimieren sie veränderungswirksam ihre Rollenspiele und ihre Gruppenarbeiten. Mit dem aktuellen Wissensstand sind Trainerinnen und Trainer in der Lage, ihre Herangehensweise gegenüber den Teilnehmenden und beim Akquirieren von neuen Seminaraufträgen überzeugend zu begründen.
Teil III: Neurowissenschaftliche Trends
Im dritten Teil werfen die Autoren einen Blick in die Zukunft und beleuchten die grossen Trends für das wissenschaftlich basierte Lernen. Dazu gehören achtsamkeitsbasierte Trainings und Unternehmensplanspiele, wie auch Gamification und digital vernetztes Lernen.
Leseprobe «Neurodidaktik für Trainer»: Johari Fenster
Das Johari-Fenster wurde in den 50er-Jahren von den beiden Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt. Es wird seither vor allem in Trainings mit gruppendynamischen Komponenten angewendet. Das Ziel von Luft und Ingham war unter anderem, den Teilnehmenden die Unterschiede zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung vor Augen zu führen.In einer klassischen Übungsvariante wählen die Teilnehmenden aus einer Liste von 56 Eigenschaftswörtern (geduldig, introvertiert, stolz, vertrauenswürdig usw.) fünf bis sechs Wörter aus, die nach ihrer Ansicht ihre eigene Persönlichkeit besonders gut beschreiben. Danach findet die Fremdeinschätzung statt, indem mehrere andere Teilnehmer ebenfalls fünf bis sechs Eigenschaftswörter für die Person, die sich gerade selbst eingeschätzt hat, aus der Liste wählen.
Die Ergebnisse werden in den vier Quadranten des Johari-Fensters platziert. Auch als reines Erklärungsmodell kann das Johari-Fenster sinnvoll eingesetzt werden, um den Teilnehmenden zwei grundlegende Botschaften zu verdeutlichen:
- Geheimhaltung kostet Kraft, entwaffnende Ehrlichkeit entlastet und wirkt darüber hinaus menschlich und sympathisch.
- Wir brauchen andere, um unsere blinden Flecken zu erkennen: Fordern und geben Sie ehrliches Feedback.
Neuropsychologisches Erklärungsmodell
1. Quadrant «Mein Geheimnis»
Es kann sehr entlastend sein, mehr von sich selbst preiszugeben als man das bisher getan hat. Zudem wird auf diese Weise die Furcht vor Enttarnung und der Energieaufwand für die Aufrechterhaltung von Fassaden reduziert. Aus neuropsychologischer Sicht unterstützen drei Befunde diese Botschaft:
a. Wir wissen, dass Geheimnisse auf der Sachebene bewahrt werden können. Jedoch erreichen viel mehr Informationen das Unterbewusste des Gegenübers, als wir bisher angenommen haben. So werden beispielsweise über die Mandelkerne unbewusst soziale Pheromone registriert, die beim Gegenüber unter anderem Furcht oder Stress signalisieren.
Ebenso werden über die Mandelkerne mimische Mikro-Ausdrucksformen wie das blitzschnelle Rümpfen der Nase oder die Erweiterung der Pupillen verarbeitet, welche wir nicht bewusst unter Kontrolle haben. Gerade gespielte Souveränität oder aufgesetzte Freundlichkeit führen auf diese Weise zu widersprüchlichen Fremdwahrnehmungen und verschlechtern die Beziehung.
b. Die fortwährende gleichzeitige Aktivierung inkompatibler neuronaler Netzwerke (also zum Beispiel der eigentlichen Gefühle einerseits und der Fassade andererseits) zu dauerhaften Inkonsistenzspannungen. Sie verbrauchen viel Stoffwechselenergie und begünstigen daher das Ausbrennen auf der Ebene der zellulären Energieversorgung.
Dauerhaft können solche inneren Spannungen zu Störungen der Leistungsfähigkeit und auch der Gesundheit führen. Authentizität und entwaffnende Offenheit wirken daher nicht nur günstiger auf unsere Gesprächspartner – sie bewahren uns auch Energiereserven, die wir zum Leben brauchen. Sie wirken also in beträchtlichem Mass gesundheitsfördernd.
c. Neuroökonomische Studien haben nachgewiesen, dass Personen, denen Vertrauen geschenkt wird, mit signifikant erhöhten Spiegeln des Bindungshormons Oxytocin reagieren. Das erhöht die Bindung, die Kooperationsbereitschaft und stimuliert zudem die Produktion von Dopamin. Vertrauen wirkt deshalb auch motivationsfördernd.
2. Quadrant «Blinder Fleck»
Dass wir längst nicht alles, was uns selbst betrifft, auch selbst wahrnehmen, zeigt sich spätestens dann, wenn wir von einem guten Freund ein ehrliches Feedback erhalten. So entgeht nicht nur die eine oder andere Marotte der bewussten Aufmerksamkeit. Sondern auch die eine oder andere Verhaltensweise, mit der wir uns selbst schaden oder mit der wir andere verletzen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, Wahrnehmungen mitzuteilen und sich dem Feedback durch andere zu öffnen. Denn das ist die einzige Möglichkeit, unsere blinden Flecken zu reduzieren und somit mehr Einfluss auf unser eigenes Verhalten zu bekommen. Solche blinden Flecken werden durch die Arbeitsweise unseres Gehirns unvermeidlich.
Diese bildet die «Realität» nur in dem Mass ab, wie sie uns nach unseren bisherigen Erfahrungen dabei geholfen hat, sinnvoll mit der Welt zu interagieren. So neigen wir aufgrund der erfahrungsbedingten Neuroplastizität dazu, nur die Dinge wahrzunehmen, für die wir starke synaptische Verbindungen aufgebaut haben.
Eine bildgebende Studie zeigt auf amüsante Weise, wie zum Beispiel unterschiedliche berufliche Spezialisierungen zu einer neuronalen Deformation Professionelle führen können. So neigen Experten dazu, die Objekte, mit denen sie tagtäglich zu tun haben, verstärkt mit dem Gesichtererkennungsareal im Gyrus fusiformis des unteren Schläfenlappens zu verarbeiten – auch dann, wenn es sich überhaupt nicht um Gesichter handelt.
In der Studie zeigte man Autoexperten und Vogelexperten unter anderem Bilder von Autos und Vögeln. Die Autoexperten verarbeiteten die Autos und die Vogelexperten die Vögel mit ihrem Gesichtererkennungsareal. Da das Gesichtererkennungsareal starke Verbindungen zum limbischen System hat, spricht das auch für eine besondere emotionale Koppelung an das jeweilige Objekt aus dem eigenen Spezialgebiet.
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